Zum Nachlesen: Ansprache zum 17. Sonntag nach Trinitatis

Es ist aber der Glaube eine feste Zuversicht auf das, was man hofft, und ein Nichtzweifeln an dem, was man nicht sieht. Hebräer 11,1

 

Liebe Leser*innen,

heute ist mit der Bundestagswahl ein besonderer Tag für Deutschland. Viele Menschen haben sich zur Wahl gestellt und andere dürfen wählen – allerdings haben viele der Wähler*innen den Glauben an die Politik ein Stückweit oder ganz verloren. In den letzten Wochen, Monaten und Jahren haben sie immer wieder erlebt, dass Politiker*innen unterschiedlicher Parteien Versprechen gemacht haben, die sie dann aber nicht gehalten haben, dass sie ihr Fähnlein nach dem Wind gedreht haben, dass sie sich von eigenen Interessen oder den Interessen von anderen aber nicht der Partei haben leiten lassen, dass sie nicht ehrlich waren oder dass sie nicht klar genug Position bezogen haben. Mal sehen, was dieses Politiker*innenverhalten für Folgen für die Wahl hat, ob Menschen dadurch gar nicht mehr zur Wahl gehen, ob sie was oder wen anderes wählen oder ob sie trotz dem angekratzten Glauben bestimmten Politiker*innen nochmal oder neu eine Chance geben. 

Doch einen Vertrauensverlust hat nicht nur die Politik zu verzeichnen sondern auch die Kirche. Immer mehr Menschen drehen der Kirche den Rücken zu, treten auch aus, weil die Kirche sich in Coronazeiten, in der Flüchtlingsfrage und zu vielen anderen Themen nur wenig geäußert hat und wenig aktiv war, weil die Kirche mit den Missbrauchsfällen und einigen anderen Vorfällen einige Skandale hatte, weil die Kirche immer mehr in Richtung Minderheit wandert und man schief angeschaut wird, wenn man zur Kirche gehört, weil sich in der Welt trotz der Botschaft vom allmächtigen und barmherzigen Gott scheinbar wenig ändert und Gott sich scheinbar nicht zeigt. 

Auch die Menschen am Ende des 1.Jahrhunderts taten sich schwer mit dem Glauben, mit dem Glauben an die machtgierigen gewalttätigen römischen Herrscher sowieso aber auch mit dem Glauben an den einen Gott und sein Reich und seine Gemeinschaft. Die Römischen Götter sah man zumindest noch, den jüdisch-christlichen Gott und sein Reich aber nicht und die, die sich zu ihm hielten, hatten es schwer, wurden verfolgt. 

In diese Situation hinein, eine Situation des Zweifels und Verzweifelns, der Glaubenskrise und des Unglaubens, sagte der Verfasser des Hebräerbriefes folgende Worte, Worte, die für den heutigen 17.Sonntag nach Trinitatis als alternativer Predigttext vorgesehen sind: „Es ist aber der Glaube eine feste Zuversicht auf das, was man hofft, und ein Nichtzweifeln an dem, was man nicht sieht.“ – was für eindrückliche und tolle Worte. Von Politikern und Machthabern und Kirche und anderem mehr ist da nicht die Rede, wohl aber von der Hoffnung und die haben wir alle, denn die Hoffnung stirbt als letztes. „Es ist aber der Glaube eine feste Zuversicht auf das, was man hofft“, nicht ein Vertrauen auf Politiker und Kirchenleute und wen auch immer. Nein, der Glaube ist eine feste Zuversicht auf das, was man hofft. Und die meisten Menschen hoffen auf eine friedliche und gerechte Welt und auf ein gutes Miteinander der Menschen und der gesamten Schöpfung und auf den Fortbestand der Welt, so dass auch noch die Kinder und Kindeskinder eine Zukunft haben.  

Der Verfasser des Hebräerbriefes macht nun Mut, an dieser Hoffnung festzuhalten und fest an deren Realisierung zu glauben und sensibel dafür zu werden, dass diese Hoffnung teilweise schon Wirklichkeit ist, auch wenn man sie zunächst nicht sieht, man sie aber erleben kann, wenn man denn den Mut hat, sich nicht zurückzunehmen und zu resignieren sondern sich auf den Weg zu begeben und selber Frieden, Gerechtigkeit, Bewahrung der Schöpfung und ein gutes Miteinander zu praktizieren. In diesem Glauben, so der Verfasser des Hebräerbriefes, sind schon viele vor uns an das Ziel der Hoffnung, an das, was Gott für uns bereit hält, gelangt und dann zählt er ganz viele dieser Glaubenszeugen auf, zum Beispiel Noah, der ein Schiff baut und die Sintflut übersteht, Abraham, der sich in die Fremde aufmacht und das gesegnete Land ererbt, Mose, der von Freiheit träumt und den langen Weg durch die Wüste zieht und im Land, wo Milch und Honig fließt, landet. 

„Es ist aber der Glaube eine feste Zuversicht auf das, was man hofft, und ein Nichtzweifeln an dem, was man nicht sieht.“Wir brauchen Visionen, brauchen das Festhalten an Visionen, an Hoffnungen, brauchen den Austausch über unsere Visionen und Hoffnungen, brauchen das Losgehen, brauchen das Aktivwerden. Wenn wir den Visionen und Hoffnungen und Zusagen Gottes Raum geben, wenn wir die Kraft Gottes in uns wirken lassen, wenn wir dadurch eine andere Sicht der Dinge bekommen, wenn wir uns durch sie in Bewegung setzen lassen, dann können wir was in Gesell-schaft, Politik und Kirche bewirken, dann können wir da was ändern, können wir erreichen, dass wieder viel deut-licher die Stimme für die Armen, Ausgegrenzten und unter Gewalt-Leidenden erhoben wird und da auch wirklich etwas getan wird, können wir wieder Zutrauen zu Politik und Kirche gewinnen. Ich wünsche uns, dass wir so wie vermut-lich die Adressaten des Hebräerbriefes viel stärker schauen auf das, was wir hoffen, was Gott uns vor Augen gestellt hat, und dass wir daran festhalten, komme was da will, so wie Jesus, den Anfänger und Vollender des Glaubens.  Amen.

 

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