Zum Nachlesen: Ansprache zum 7. Sonntag nach Trinitatis

„So seid ihr nun nicht mehr Gäste und Fremdlinge, sondern Mitbürger der Heiligen und Gottes Hausgenossen.“ (Eph 2,19) 

Liebe Zuhörende, 

„Alle Menschen sind Ausländer – fast überall“ so heißt ein Spontispruch, den Sie vielleicht schon mal gehört oder gelesen haben. Und der Schriftsteller Fritz Werfel hat das mal wie folgt formuliert: „Immer wieder komme ich in eine fremde Stadt und bin fremd und auch im Jenseits werde ich nur ein Zugereister sein.“ – wie wahr! Ja, es gibt wohl kein Leben, das nicht die Erfahrung des Fremdseins macht, das eine mehr, das andere weniger. Da gibt es Menschen, die ziehen wegen der Ausbildung oder der Arbeit an einen fremden Ort. Oder es gibt Menschen, die gehen in die Fremde, weil sie an ihrem angestammten Ort wegen Krieg, Verfolgung, Gewalt, Hunger oder Krankheit nicht bleiben können. Oder es gibt Menschen, die reisen im Urlaub in ein fremdes Land. 

 

Fremd zu sein, sich fremd zu fühlen, ist eine sehr ambivalente Erfahrung. Natürlich hat das Neue einen gewissen Reiz und hält manchmal auch eine positive Überraschung bereit. Aber meistens ist die Fremde doch negativ besetzt. Am fremden Ort kennt man sich nicht aus, ist man unsicher, wird man verunsichert, wird man schief angeschaut, ist man in Vielem draußen vor. Nicht umsonst gibt es das Sprichwort: „Im fremden Land ist auch der Frühling nicht schön“. 

 

Dass die Fremde, das Fremdsein eher negativ erlebt wird, dass man sich da ausgeschlossen, verunsichert fühlt, liegt zum einen womöglich an einem selbst, weil man nicht den rechten Mut hat, um sich den fremden Ort zu erschießen, mit den Menschen in der Fremde in Kontakt zu kommen. Es liegt aber auch und ganz oft an den Einheimischen, die sich aus verschiedenen Gründen gegenüber den Fremden verschließen. Sie haben Angst vor dem Neuen, haben Angst, Gewohntes zu verlieren, haben Angst vor Überfremdung – und vergessen dabei, dass sie ja mal selber Fremde waren und jederzeit wieder Fremde werden können und dass die Begegnung mit den Fremden ja nicht nur ein Problem sondern vor allem auch eine Chance ist. 

 

Die Fremde und die Fremden eröffnen neue Räume, neue Erlebnisse und Eindrücke, neue Sozialkontakte, neue Gemeinschaft, neue Perspektiven und auch neue Träume. Und die Fremde und die Fremden bringen uns Gott näher, denn Gott ist viel größer als unser Horizont, ist jenseits aller Grenzen, ist allmächtig, allgegenwärtig und barmherzig. 

 

„So seid ihr nun nicht mehr Gäste und Fremdlinge, sondern Mitbürger der Heiligen und Gottes Hausgenossen.“, so heißt es im Wochenspruch dieser Woche aus dem Epheserbrief (Eph 2,19)  – wenn wir das doch als Fremdlinge gesagt bekommen würden und wir das doch zu Fremdlingen auch sagen würden! – so wie es der Verfasser des Epheserbriefes zu den Heidenchristen sagte, die von den Judenchristen aus welchen Gründen auch immer nicht in die Kirchen und nicht in die häuslichen Gemeinschaften eingelassen wurden. Der Verfasser macht den Heidenchristen und letztlich auch den Judenchristen Mut, die zwischen ihnen gezogene Grenze zu überwinden, weil Jesus auch die Grenzen zu Fremden und Nichtfremden durchbrochen hat und diese Grenzüberwindung  dem Frieden und der Vielfalt und der Gottesnähe dient. Wenn wir Grenzen überwinden, auch andere Menschen zugehen und uns mit ihnen an einen Tisch setzen, dann ist Gott mitten unter uns, dann erleben wir die Fülle, dann spüren wir das Leben. 

 

„So seid ihr nun nicht mehr Gäste und Fremdlinge, sondern Mitbürger der Heiligen und Gottes Hausgenossen.“ – haben wir den Mut so wie der Verfasser des Epheserbriefes diesen Satz zu anderen zu sagen und das auch zu leben. Verhelfen wir Geflüchteten zu ihren Rechten, geben wir ihnen im Ausnahmefall auch Kirchenasyl! Besuchen wir Menschen anderer Herkunft oder laden wir sie ein und erleben wir andere und spannende Lebensgeschichten, Speisen, Musiken und auch  Herzlichkeit und Fröhlichkeit! Interessieren wir uns für andere Kulturen und andere Menschen und staunen wir über Gottes vielfältige Schöpfung. Ich wünsche uns allen, dass wir diesen Mut gegenüber anderen aufbringen und dass auch andere diesen Mut uns gegenüber aufbringen und wir so alle mehr von Gott und mehr vom Leben haben.  „So seid ihr nun nicht mehr Gäste und Fremdlinge, sondern Mitbürger der Heiligen und Gottes Hausgenossen.“Alle Menschen sind noch Ausländer, Fremde, aber alle Menschen sind Gotteskinder und werden sich als Geschwister in Gottes großem Weltenhaus verstehen. Gott sei Dank. Amen.
 

 

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