Zum Nachlesen: Ansprache zum 5. Sonntag nach Trinitatis

„Das Wort vom Kreuz ist eine Torheit denen, die verloren werden, uns aber, die wir selig werden, ist´s eine Gotteskraft.“ (1.Korintherbrief 1,18)

Liebe Zuhörende, 

wenn Corona nicht wäre, würden an diesem Sonntag acht junge Menschen in der Pfarrkirche konfirmiert werden und würden nach der Einsegnung die obligatorischen kleinen Kreuzanhänger überreicht bekommen – was auch sonst? - ist das Kreuz doch das Kennzeichen der Christ*innen schlechthin! Aber warum eigentlich? Das Kreuz als solches ist ja nun wirklich nichts Gutes. Jesus ist am Kreuz gestorben und im Zeichen des Kreuzes ist im Laufe der Geschichte viel Unheil angerichtet worden und ich denke zum Beispiel an die erzwungene Christianisierung vieler Völker, an die Kreuzzüge oder die Inquisition. Das Kreuz hat Jesus in viel Leid gestürzt und es hat auch vielen anderen Menschen an vielen anderen Orten und zu anderen Zeiten ebenfalls unsägliches Leid gebracht. Wäre das Kreuz nicht gewesen, dann hätte Jesus auch weiterhin von Gott erzählen, Menschen heilen und ihren Hunger stillen können, hätte schneller sein Reich aufbauen können, und zahlreiche Menschen hätten auch noch leben können und andere hätten dem Christentum, wenn es denn friedvoller dahergekommen wäre, noch mehr abgewinnen können. Warum also das Kreuz, scheinbar doch das Zeichen von Gewalt, von Unterdrückung, von Scheitern? 

Schon in der Frühzeit der Christenheit wurde immer wieder über das Kreuz gespottet. Am bekanntesten ist wohl ein Bild aus dem 2.Jahrhundert, das Archäologen bei Ausgrabungen an der  Wand eines Palastes in Rom fanden. Auf diesem Bild ist ein Mann am Kreuz mit einem Eselskopf und davor eine Gestalt mit erhobenen Händen zu sehen. Darunter steht zu lesen: „Alexamenos verehrt seinen Gott“. Anscheinend spottete man über einen Bediensteten und wollte ihm zu verstehen geben: „Du bist ein Esel, wenn Du einen Gekreuzigten anbetest, und der, der am Kreuz hängt, ist ebenfalls ein Esel, sonst wäre er ja nicht am Kreuz geendet. Ein Gott endet nicht am Kreuz.“ 

Warum also das Kreuz? Und wie kann man auch heute noch Kreuze aufhängen und tragen und gibt man sich damit nicht wie eh und je dem Spott preis? Kann so sein – kann aber auch anders sein! Im Predigttext des heutigen 5.Sonntags nach Trinitatis schreibt der Apostel Paulus: „Das Wort vom Kreuz ist eine Torheit denen, die verloren werden, uns aber, die wir selig werden, ist´s eine Gotteskraft.“ (1.Korintherbrief 1,18). Was für ein Wort! – eines der schönsten Worte der Bibel. Das Kreuz als Gotteskraft. Wie das? Weil sich Gott, indem er in seinem Sohn gelitten und gestorben ist, ganz nach unten begeben hat und vom Leid seiner Schöpfung nicht nur erfahren sondern es auch selber erlitten hat, sich den anderen Gekreuzigten, den Unterdrückten, den unter Ungerechtigkeit und Gewalt Leidenden, den Armen, den Hungernden zur Seite gestellt hat. Die Niedrigen dieser Welt können sich so in ihrem Elend nicht total verlassen fühlen, können sich ein wenig getragen wissen, bekommen Mut und Kraft, ihre Stimme zu erheben und sich gegen das Leid aufzubäumen. Und die Mächtigen, Gewalttätigen Kreuzigenden dieser Welt kommen ins Umdenken, weil Gott trotz aller vermeintlichen Stärke der Mächtigen nicht bei ihnen, sondern bei den Schwachen, den Leidenden ist. 

„Das Wort vom Kreuz ist eine Torheit denen, die verloren werden, uns aber, die wir selig werden, ist´s eine Gotteskraft.“ Gott ist auch bei den Menschen, die während dieser Pandemie ihre Kreuze zu tragen haben und das sind nicht wenig: Menschen, die durch das Virus schwer erkranken, im Sterben liegen, Menschen, die Angehörige verloren haben, Menschen, die durch die ganzen Maßnahmen zur Lebensrettung, gravierenden psychischen, sozialen oder wirtschaftlichen Schaden erlitten haben. Auch da ist Gott – als jemand, auf den man die ganzen Klagen abladen kann, als jemand, der einfach nur da ist und einen zur Ruhe und zur inneren Sammlung kommen lässt, als jemand, der durch das Kreuz auf die Auferstehung verweist, der Licht am Horizont erkennen lässt, der einen hoffen und weitermachen lässt, als jemand, der einen sagen lässt, irgendwann, wenn Corona vorbei ist, will ich drei Kreuze machen, will mit der Gotteskraft durchstarten. 

„Das Wort vom Kreuz ist eine Torheit denen, die verloren werden, uns aber, die wir selig werden, ist´s eine Gotteskraft.“ Unbestritten, mit dem Kreuz ist es ein Kreuz, aber mit dem Kreuz lässt sich auch und vor allem leben, lässt sich Zukunft bauen. Gott sei Dank. Amen. 

 

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