Zum Nachlesen: 1. Sonntag nach Trinitatis

„Man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen.“ (Apg 5,29)

Liebe Zuhörende,

„Man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen“ – so lautet der Monatsspruch des gerade begonnenen Monats Juni aus der Apostelgeschichte (Apg 5,29) – ein Wort, das Petrus und die anderen Jünger dem Hohen Rat und dem Hohepriester entgegenhalten, als dieser sie ermahnt, nicht von Jesus zu erzählen und in seinem Namen zu lehren. 

„Man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen“ – ein Satz, den man ausgesprochen oder unausgesprochen in den letzten Monaten während der Corona-Krise öfters gehört hat, von Menschen, die sich nicht vorschreiben lassen wollten, eine Maske zu tragen, den Mindestabstand einzuhalten, auf Treffen oder Urlaubsfahrten zu verzichten, von Schüler*innen, die gar nicht einsahen, den Unterricht und die Hausaufgaben online zu erledigen und die Lehrer*innen abblitzen ließen, von Gläubigen, die sich so wie immer sonntags zu ihren großen Gottesdiensten mit anschließendem Beisammensein trafen und Kontaktverbote außer Acht ließen. 

„Man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen“ - eben  - „mehr gehorchen“ und nicht „ausschließlich gehorchen und den Menschen nicht“. Nein, natürlich soll und muss man auch Menschen gehorchen, auf sie hören, Kinder ihren Eltern, Schüler*innen ihren Lehrer*innen, die Mitarbeiter*innen ihren Vorgesetzten, Bürger*innen den Vertreter*innen des Staates – sofern die Eltern, Lehrer*innen, Vorgesetzten, Staatsdiener*innen dem Willen Gottes entsprechen und alles dafür tun, dass menschenwürdiges Leben möglich ist. Das ist es, um das es Gott geht: um das Leben. Gott will Leben, Leben für alle. Und das will auch der Staat, wenn er Corona-Maßnahmen erlässt und die Lehrer*innen, wenn sie digital unterrichten. Sie wollen Leben, wollen das Leben nicht nur der Jungen sondern auch der Alten, nicht nur das Leben von Menschen in unserem Land sondern auch in anderen Ländern und deshalb ist es richtig und wichtig, diesen Weg mitzugehen. 

„Man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen“ – sagen Petrus und die Jünger und sie befolgen natürlich die jüdischen Regeln, die Speise-, Fasten- und Reinigungsvorschriften und die Regeln, den Zehnten und Almosen zu geben, weil diese dem Leben dienen, aber sie lassen sich nicht den Mund verbieten und wollen und sollen von Jesus, Gottes Sohn, erzählen, von seinen Wundern und seinem Leiden und seiner Auferstehung und tun es nach der Begegnung mit dem Hohepriester auch weiter. 

„Man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen“ – und das kann und muss in bestimmten Fällen auch zum Ungehorsam gegenüber den Menschen führen – dann nämlich, wenn Menschen oder Staaten etwas tun, was dem Leben zuwiderläuft, wenn sie andere Menschen diskriminieren, ausgrenzen oder ausbeuten, wenn sie ihnen Gewalt antun, ihnen nach dem Leben trachten. In solchen Fällen soll man nicht nur ungehorsam sein sondern auch aktiv für das Leben eintreten. Immer wieder haben Menschen das getan: Martin Luther und die Reformatoren, die sich einer Kirche entgegenstell-ten , die auf Kosten der Menschen lebte, Johann Wichern und die Mütter und Väter der Inneren Mission, die ihre Stimme erhoben gegen die menschenverachtenden Lebensbedingungen zu Beginn der Industrialisierung, Dietrich Bonhoeffer, der im Dritten Reich in der Widerstand ging, weil das Leben mit Füßen getreten wurde, die Aktivisten der gegenwärtigen Black-lives-matter Bewegung, die sich den Menschen und Institutionen in den Weg stellen, die schwarzes Leben geringer achten.  

„Man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen“ – das ist gar nicht so einfach, wenn Leben von vielen Menschen bedroht wird und man durch den Gehorsam dem Gott des Lebens gegenüber seinen eigenen Lebensstil oder gar sein eigenes Leben riskiert. Deshalb machen es  viele Menschen ja auch oft nicht. Doch die Menschen, die Gott gehorchen und sich für das Leben einsetzen, sind nicht allein – genauso wenig wie Petrus und die Jünger. Gott ist in seinem Heiligen Geist bei ihnen und verleiht ihnen Mut, genau hinzusehen und hinzuhören, sich mit anderen, mit Leidenden oder mit Aktivisten  zu solidarisieren, die Stimme zu erheben, aktiv etwas für das Leben zu tun, Leben zu erleben. 

„Man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen“ – ich wünsche uns, dass wir die menschlichen Ordnungen, die dem Leben dienen, mittragen, uns aber rühren, wenn das Leben und letztlich Gott von Menschen in Frage gestellt wird, und nicht eher zur Ruhe kommen, bis das Leben wieder die Oberhand hat. Gott will uns dabei helfen. Gott sei Dank. Amen. 

 

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