Zum Nachlesen: Ansprache zu Sonntag Rogate

­­­„Gott hilft dem Armen ohne Ansehen der Person und erhört das Gebet der Unterdrückten. Er verachtet das Flehen der Waisen nicht noch die Witwe, wenn sie ihre Klage erhebt“ Jesus Sirach 35, 16f.

Liebe Zuhörende,

  • ­­­„Gott hilft dem Armen ohne Ansehen der Person und erhört das Gebet der Unterdrückten. Er verachtet das Flehen der Waisen nicht noch die Witwe, wenn sie ihre Klage erhebt“ - so heißt es im heutigen Predigttext aus dem Buch Jesus Sirach, einer jüdischen Spätschrift  - schön wär´s, wenn das so wäre, wie Jesus Sirach es beschreibt. Natürlich verachtet Gott nicht das Flehen und Klagen der Waisen und Witwen so wie er alle Gebete, alles Klagen, Bitten und Danken nicht verachtet. Und natürlich hat Gott einigen Armen geholfen und das Gebet einiger Unterdrückter erhört. Aber viele Waisen, Witwen, Arme, Unterdrückte, Leidende warten damals wie heute immer noch sehnsüchtig auf Gott und schicken ein Stoßgebet nach dem anderen in den Himmel, dass sich ihre Situation ändert, dass sie nicht mehr unterdrückt, ausgegrenzt, ausgebeutet werden, aber es ändert sich nichts. Und viele arme, unterdrückte, leidende Menschen haben irgendwann auch mit dem Beten aufgehört, weil sie müde geworden sind, weil das Beten an ihrer Situation anscheinend nichts ändert.
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  • Und dennoch heißt es bei Jesus Sirach: „Gott hilft dem Armen ohne Ansehen der Person und erhört das Gebet der Unterdrückten. Er verachtet das Flehen der Waisen nicht noch die Witwe, wenn sie ihre Klage erhebt.“ Und ich frage mich, warum Jesus Sirach so etwas sagt? Sieht der nicht die Realitäten oder sind seine Äußerungen blanker Zynismus? Oder sehen wir womöglich nicht die Absicht seiner Sätze. Vielleicht geht es Jesus Sirach ja gar nicht darum, Wirklichkeiten zu beschreiben sondern auf Wirklichkeiten hinzuwirken. Vielleicht geht es ihm ja darum, die Armen, Unterdrückten, Waisen und Witwen und viele andere Leidende zum Beten anzuhalten, ihnen Mut zum Beten zu machen, weil er um die Kraft des Gebetes weiß – nicht um die Kraft, dass man mit einem Gebet von jetzt auf gleich alles verändern kann, dass man Wunder bewirken kann – aber um die Kraft, die ein Gebet dem Betenden schenkt, die beim Betenden einiges verändert oder wie es Albert Schweizer mal ausgedrückt hat: „Gebete ändern die Welt nicht, aber Gebete ändern die Menschen und Menschen ändern die Welt.“<u1:p> </u1:p>
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  • Ja, Beten kann Menschen verändern, kann auch und vor allem die Leidenden verändern, weil man im Gebet all das, was einen beschäftigt, worunter man leidet, ausspricht und nicht weiter für sich behält und in sich hineinfrißt und man die Erfahrung machen kann, dass durch das Aussprechen Platz für neue Gedanken, neue Gefühle, neue Energien geschaffen wird und das Beten manchmal eine Katalysatorfunktion hat, dass das eigene Handeln und Aufstehen beschleunigt wird getreu dem Motto: „Hilf dir selber, so hilft dir Gott.“  Beten verändert Menschen aber auch, weil Menschen im Gebet mit vielen anderen Betenden verbunden sind und die Erfahrung machen, dass sie nicht alleine sind sondern dass es noch viele andere in einer ähnlichen Situation gibt, mit denen man sich solidarisieren kann und mit denen man gemeinsam gegen das Leid angehen kann.<u1:p> </u1:p>
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  • „Gott hilft dem Armen ohne Ansehen der Person und erhört das Gebet der Unterdrückten. Er verachtet das Flehen der Waisen nicht noch die Witwe, wenn sie ihre Klage erhebt.“ Der Satz von Jesus Sirach ist aber nicht nur eine Ermutigung für die Leidenden, auch weiterhin und beharrlich ihre Stimme zu erheben und ihren Teil für neue Wirklichkeiten beizutragen.  Er ist vor allem eine Mahnung an die Leidverursacher und die, die Leid nicht verhindern, dass Gott ein Gott für die ganz unten ist und jedes ihrer Worte und Gebete hört, auch wenn sie noch so mundtot gemacht werden. Gott wird ganz bestimmt die Gebete von ganz unten erhören und Gebetswünsche erfüllen, spätestens am Ende aller Tage. Ob das auch für die anderen, ob das auch für uns gilt? Sicherlich nur, wenn auch sie, wenn auch wir ohne Ansehen der Person andere hören und für sie da sind und uns für Gerechtigkeit und Frieden und menschenwürdiges Leben in der Welt einsetzen und auch dafür beten.<u1:p> </u1:p><u1:p>Amen.</u1:p>

 

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