Zum Nachlesen: Ansprache zum Sonntag Kantate

„Hosianna, gelobt sei, der da kommt im Namen des Herrn.“ Lukas 19, 38

Ansprache 

Liebe Zuhörende, viele von uns kennen die Geschichte vom Einzug Jesu in Jerusalem, wie er auf einem Esel reitet und die Menschen  Kleider und Palmenzweige auf den Weg legen und ihm „Hosianna“ zurufen: „Hosianna, gelobt sei, der da kommt im Namen des Herrn.“ Im Predigttext zum Sonntag Kantate aus dem Lukasevangelium wird die Geschichte nun etwas anders erzählt. Da sind es die Jünger und nicht die Menschen aus Jerusalem, die Gott mit lauter Stimme loben und die rufen: „Gelobt sei, der da kommt, der König, in dem Namen des Herrn.“ Und dann sind bei Lukas noch die Pharisäer, die Jesus bitten, dass er doch seine Jünger zurechtweisen soll – was ich sehr gut verstehen kann, denn der Gesang der Jünger war bestimmt nicht besonders schön, eher ein Gegröle so wie Schlachtenbummler, und zudem war der Inhalt ihrer Rufe auch gefährlich: „Gelobt sei, der da kommt, der König“ – wenn das die Römer hören würden, das war Hochverrat, denn es gab nur einen König und Kaiser und der saß in Rom. 

 

Man hätte erwarten können, dass Jesus dem Einwand der Pharisäer Folge leistet oder ihnen widerspricht. Stattdessen aber sagt Jesus den sehr markanten Satz: „Wenn diese schweigen werden, so werden die Steine schreien!“ – was für ein Satz! Ich weiß nicht, ob die Pharisäer diesen Satz auf Anhieb verstanden haben. Wie können Steine schreien? Die Menschen zur Zeit des Evangelisten Lukas allerdings haben diese Worte sehr wohl verstanden. Da waren Jesus und viele seiner Nachfolger zum Schweigen gebracht worden und das herrliche Jerusalem lag mittlerweile in Schutt und Asche – nur die Klagemauer stand noch. 

 

„Wenn diese schweigen werden, so werden die Steine schreien“ – Worte, die auch viele Menschen in späteren Jahren und Jahrhunderten verstanden haben. Auch da mussten immer wieder viele Menschen schweigen, wurden verfolgt, gefangengenommen, gefoltert, ermordet und zurück blieben Ruinen, Gedenksteine, Mahnmäler – Steine, die Erinnerungen wachrufen, die wachrütteln, die aufrütteln. 

 

„Wenn diese schweigen werden, so werden die Steine schreien“ – Jesus meinte mit diesen Worten aber noch mehr – nicht nur, dass Steine ewige Zeugen von Unrecht und Unfrieden sein können, sondern dass der Kampf gegen das Unrecht und den Unfrieden, den er angefangen hat, weitergehen wird. In der Antike wurden Menschen oft als Steine bezeichnet, die die Mächtigen gebrauchen oder wegwerden konnten, mit denen sie machen konnten, was sie wollten. Jesus aber gab diesen Steinen, diesen Menschen, den Armen, den Tagelöhner, den Außenseitern, den an den Randgedrängten eine Stimme, machte ihnen Mut, das ganze Leid nicht für sich zu behalten, sondern zu klagen, anzuklagen, ihre Stimme zu erheben, für Recht und Gerechtigkeit und Frieden einzutreten, dranzubleiben, weiterzumachen, ihren Teil zum Reich Gottes beizutragen, das schon ganz klein mitten unter ihnen ist, aber am Ende alles umfassen wird. 

 

„Wenn diese schweigen werden, so werden die Steine schreien“ – Mut machende, in Bewegung setzende Worte, auch heute noch. Und ich muss an die Menschen in Weißrussland und Russland und Myanmar denken, die durch die Mächtigen und die Militärs nicht mundtot zu machen sind, die immer wieder auf die Straßen gehen, demonstrieren, blockieren, boykottieren und das so lange machen werden, bis das Schreien der Steine gehört wird und Neues aufgebaut wird und Gerechtigkeit und Frieden Einzug halten. - „Wenn diese schweigen werden, so werden die Steine schreien“ 

Wann werden die Mächtigen und Reichen verste-hen, dass sie nicht das letzte Sagen haben, dass es einen Mächtigeren gibt, der das Schreien der Steine hört und mit ihnen zusammen sein Reich auf dieser Welt aufbauen wird?! Wir fangen an, es zu hören, hinzuhören aufzuhorchen und das ist gut so „Gelobt sei, der da kommt, der König, in dem Namen des Herrn.“Amen. 

 

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